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#Schimmelliebe

#Schimmelliebe

So, jetzt oute ich mich mal für die, die es noch nicht wissen: Ich bin ein Schimmel-Fan! Was für eine Überraschung… Und ja, ich weiß: die sind ja nie sauber! Nochmal ja, ich weiß, aber die anderen ja auch nicht. Da sieht man das nur nicht so deutlich 😉

Cartoon: Mordillo

Aber mal ehrlich – diese Knopfaugen in diesen unschuldigen Gesichtern… hach ja… seufz… Und – ich bin mit meiner Vorliebe offensichtlich nicht allein. Welches Mädchen hat nicht davon geträumt, von einem Prinzen auf einem weißen Pferd abgeholt zu werden?

Der Schimmel galt schon vor sehr langer Zeit als etwas Besonderes, denn er wurde von verschiedenen Völkern vergöttert und verehrt.

Das Pferd an sich hatte offensichtlich schon immer eine starke symbolische Bedeutung. Es steht auch heute noch für Freiheit, Kraft, Anmut, Sonne, Mond, Luft und Erde. Und Weiß ist die Farbe der Reinheit, Wahrheit, Erhabenheit und Ruhe.

Uffington White Horse, Bild: Wikipedia

Bei dem „Uffington White Horse“ in der Grafschaft Oxfordshire handelt es sich um ein Scharrbild, das den darunter liegenden Kreidestein freilegt. Das Alter wird auf die Bronzezeit datiert. Wem genau es gewidmet ist, ist bisher leider nicht geklärt, es existieren lediglich Vermutungen.

Bei den Griechen zogen Schimmel den Mondwagen der Selene, der Sonnengott ließ seinen Wagen von einer Quadriga aus Schimmeln ziehen, und Pegasus, der geflügelte Schimmel, galt ebenso als rein und heilig.

Odin auf seinem 8beinigen Sleipnir, Bild: Wikipedia

Die Germanen hielten die Schimmel für Mitwisser der Götter. Bei der Vorhersage des Schicksals hatte ihr Wiehern und Scharren mehr Gewicht als die Auskünfte der Priester. In der nordischen Mythologie reitet Göttervater Odin seinen achtbeinigen hellgrauen Sleipnir, der ihn durch die Welten trägt.

Könige und sonstige Herrscher ritten auf Schimmeln („pièdestal des rois“) oder wurden auf solchen künstlerisch dargestellt. Auch kirchliche Würdenträger ließen sich auf Schimmeln führen (reiten konnten sie ja nicht!), um sich den Anstrich des Göttlichen zu geben.

August der Starke 1670 – 1733, BIld: kunst-fuer-alle.de

Wenn Maler den Auftrag bekamen, einen Landesfürsten oder ähnliche ruhmreiche Persönlichkeiten zu portraitieren bzw. ruhmreiche Schlachten für die Nachwelt auf Leinwand festzuhalten, setzten sie die Herrschaften selbstverständlich auf Schimmel, so dass der Betrachter die dargestellte Szene sofort einordnen konnte. Hierdurch wurde unmissverständlich auf den ersten Blick ersichtlich, in welchem Range sich der Dargestellte befand, bzw. in welchem Stadium der Schlacht sich der Betrachter befand.

Bei einem meiner Besuche auf der Burg zu Burghausen im Oberbayerischen Landkreis Altötting habe ich die riesengroßen Gemälde aus dem Frühbarock von Hans Werl (1570 – 1608) bestaunt. Es handelt sich um bedeutende Schlachten mit vielen, vielen Soldaten zu Fuß und zu Pferde. Trotz des Gewimmels sind die Szenen sofort klar zu erkennen. Als Beispiel ein kleiner Ausschnitt aus der Darstellung der Schlacht bei Mühldorf:

Ausschnitt aus der Schlacht bei Mühldorf, Foto: B.Geschke

Mit dem Untergang dieses Schimmels (die Brücke hält dem Ansturm der Soldaten nicht stand) ist die Schlacht entschieden. Die wichtigste Person ist besiegt. Wer das ist, zeigt sich auf dem dahinter sichtbaren Habsburger Wappen. Besonders interessant ist hier die Tatsache, dass es sich in dieser Darstellung um einen Weißgeborenen handelt! Gerade die Weißgeborenen waren so unermesslich teuer, dass sich dies nur ein Landesoberhaupt leisten konnte.

Nur nebenbei bemerkt: Der berühmte Neapolitaner Galiberto wurde 1634 in der Feste Burghausen inhaftiert. Und weil er in seiner Gefangenschaft nun mehr als genug Zeit hatte, verfasste er dort sein Werk „Il Cavallo da Maneggio“, welches in Österreich erschien und als das erste Buch über die Reitkunst für den Wiener Hof gilt. Das Verfassen einer Reitlehre war am Österreichischen Hof nämlich absolut nicht üblich. Die Reitkunst wurde dort ausschließlich vom Kaiser und seinem Oberstallmeister repräsentiert.

Doch zurück zu den Schimmeltieren: Noch später, nämlich im 18. Und 19. Jahrhundert, wurden die Weißgeborenen an den dänischen und hannoversch-englischen Königshöfen gezüchtet. Goethe schrieb anlässlich seines Besuches der Universitätsreitakademie Göttingen im Jahr 1801:

„Warum denn auch eine Reitbahn so wohltätig auf den Verständigen wirkt, ist, daß man hier, vielleicht einzig in der Welt, die zweckmäßige Beschränkung der Tat, die Verbannung aller Willkür, ja des Zufalls mit Augen schaut und mit dem Geiste begreift. Mensch und Tier verschmelzen hier dergestalt in eins, daß man nicht zu sagen wüßte, wer denn eigentlich den andern erzieht. Dergleichen Betrachtungen wurden bis aufs höchste gesteigert, als man die zwei Paare sogenannter weißgeborner Pferde zu sehen bekam, welche Fürst Sanguszko in Hannover für eine bedeutende Summe gekauft hatte.“

Das Niedersachsen Wappen

Die Zucht des Herrenhausener Weißgeborenen war eine reine Farbzucht und hatte einzig und allein das Ziel, mit diesen prächtigen und sehr besonderen Tieren auf Paraden zu beeindrucken. Durch die fehlende Pigmentierung, nämlich auch in den Augen, waren sie sehr lichtempfindlich, so dass sie Scheuklappen tragen mussten. Leider ließ sich diese Zucht nur durch intensive Inzucht aufrecht erhalten – auf Kosten ihrer Gesundheit: Fruchtbarkeit und Lebensfähigkeit der Pferde ließen signifikant nach. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Zucht in Hannover beendet.

Nice to know: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gehen alle Schimmel zurück auf einen einzigen Vererber, der vor ca. 2.500 Jahren gelebt hat. Das hat eine Forschergruppe um den Schwedischen Genforscher Leif Andersson an der Uni Uppsala herausgefunden. Fellfarben wie Schwarz und Braun waren „normal“, weil sie der Landschaft angepasst waren, so wie das bei Wildtieren der Fall ist. Durch eine spontane Mutation auf dem Gen STX17 entstand also wahrscheinlich der erste Schimmel. Doch warum? Wir können davon ausgehen, dass die Natur nichts „einfach so“ macht. Es handelt sich immer um eine Anpassung an Gegebenheiten, weshalb weiter vermutet werden kann, dass sich der Genotyp mit dem Fehlen der Pigmente, bzw. dem beschleunigten Ausschimmeln, an eine geschlossene Schneedecke angepasst haben könnte.

Und wo sieht man heute Schimmel? Klar, in der Spanischen Hofreitschule in Wien. Aber auch sonst überall! Der Markt hat dafür gesorgt, dass es (fast) alle Fellfarben gibt, die das Herz begehrt. Farbzuchten existieren heute unabhängig von den Pferderassen.

Und noch etwas: Achtet mal drauf, wenn Ihr Filme seht, egal, von wann sie sind! Sehr schnell wird  klar, wer der Gute und wer der Böse ist. Die Bösen müssen übrigens immer Friesen reiten, (die es heute bevorzugt in Schwarz gibt,) auch wenn das überhaupt nicht in den regionalen und zeitlichen Kontext passt!

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