Reitkunst und Coaching | Pferdeosteopathie

Dickes Pferd – Was tun?

Durch  meinen Job komme ich täglich an verschiedenen Ställen vorbei. Jeder Stall ist anders - die Haltung, die Zielsetzung, die Atmosphäre - aber eins ist leider (fast) überall gleich: die meisten Pferde sind zu dick.

Und das nicht erst seit gestern, denn Studien dazu gibt es zuhauf. Hier ein paar Beispiele:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3970797/

https://www.pferde.de/magazin/fettleibigkeit-bei-pferden-ist-eine-tickende-zeitbombe/

Erschreckend: eine Studie aus dem Jahr 2015 hat belegt, dass zu dicke Pferde in den meisten Fällen nicht als solche wahrgenommen werden, sondern im Gegenteil werden "normale" Pferde als zu dünn empfunden! Und ich glaube nicht, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich behaupte, dass sich das bis heute sicher nicht geändert hat.

Die in den o.a. Studien genannten Zahlen spiegeln unsere Gesellschaft: laut Statista sind bereits ca. 25% der Einwohner in Deutschland übergewichtig - Tendenz steigend (2000 waren es noch 12%, 2009 schon 15%). Es wird scheinbar inzwischen als normal empfunden, wenn man "ein paar Pfund zuviel" auf den Rippen hat.

Alarmierend: 15% der Kinder zwischen 3 und 17 Jahren sind übergewichtig und 6% sogar adipös. Schon bei den Einschulkindern sind 10% übergewichtig und rund 4% adipös (Quelle). Gesundheitliche Spätschäden wie Diabetes, Bluthochdruck, Gelenkschäden & Co. sind vorprogrammiert.

Bewegung fällt naturgemäß Übergewichtigen  zunehmend schwerer, denn jedes überflüssige Kilo muss zusätzlich bewegt werden. Der Körper ermüdet schneller und damit auch der Geist, denn mit Spaß hat das nichts zu tun.

Und ebenso ergeht es unseren Pferden: natürlich sind übergewichtige Pferde weniger leistungsbereit! Und nicht nur das - genauso wie wir Menschen neigen übergewichtige Pferde zu Spätschäden wie z.B. EMS.

❗DAS KANN VERHINDERT WERDEN ❗

Aber was tun, wenn es schon soweit ist? Der Tierarzt hat die Diagnose bereits bestätigt! Und jetzt? - Allerspätestens jetzt heißt es umdenken und handeln!

❓Was tun❓

Wie auch immer der aktuelle Stand der Dinge ist - es gilt folgende Punkte abzuarbeiten:

🐴✅Beurteilung des Pferdes:

Jetzt heißt es genau hinschauen, messen, wiegen. Ein erster Ansatz ist die Ermittlung des Body Condition Score (BCS). Außerdem geben die Herz- und Atemfrequenz in Ruhe und in Bewegung Aufschluss über den derzeitigen Fitnesszustand. Nicht zuletzt sollte natürlich das Gewicht kontrolliert werden - eine Waage ist von Vorteil, aber nicht zwingend zur Gewichtsermittlung notwendig.

🐴✅Ursachenforschung:

Egal, ob es schon soweit ist oder ob sich das Pferd auf dem Weg ins Übergewicht befindet: jetzt muss die Ursache gefunden und sofort abgestellt werden.

Häufigste Ursache: Leider sind unsere Wiesen in sehr vielen Fällen nicht optimal an die Pferdehaltung angepasst, sondern vielmehr orientiert sich das Auge des Besitzers an schönen hochgewachsenen grünen Wiesen. Dem ist der Markt nachgekommen. Doch dies ist leider eine verklärt-romantische Vorstellung von guter Pferdehaltung. Diese Hochleistungsgräser sind "optimiert" für die Milchvieh- bzw. Fleischrinderhaltung, also angepasst an das Fressverhalten von Wiederkäuern. Das Pferd hat aber ein völlig anderes - und sehr empfindliches! - Verdauungssystem und kann solche Nährwerte nicht angemessen verstoffwechseln. Das zeigt sich vor allem in der steigenden Anzahl von Rehevorfällen. Besonders gefährdet sind Rassen, die auf eine solche Überversorgung "von Hause aus" nicht vorbereitet sind, nämlich z.B. Nordrassen wie Isländer, Fjordpferde usw. und genauso Südrassen wie die Iberer, die auf kargen Böden genügend Futter finden. Deshalb sollte man die Haltung in 24h-Weiden gründlich überdenken und individuell beurteilen. Gruppenhaltung ist wichtig, ja, aber nicht um jeden Preis!

🐴✅ Futter kontrollieren:

Was genau und wieviel frisst mein Pferd? Was genau ist drin im Futter? Was genau braucht es wirklich? Wie kann ich die Menge und die Nährstoffe an den tatsächlichen Bedarf anpassen?

Dies ist ein sehr komplexes Thema. Hierzu beraten unabhängige Futterexperten, die sich optimalerweise mit den regionalen Gegebenheiten auskennen.

🐴✅Bewegung:

"Ein gesundes Pferd bewegt sich gern." Diesen Satz kann ich nur unterstreichen! Wenn sich ein Pferd nicht gerne bewegt, hat das einen Grund. Bei übergewichtigen Pferden liegt die Begründung nahe! Übergewicht hat Auswirkung auf den gesamten Organismus. Und nicht nur das: das Nicht-mehr-Mithaltenkönnen mit der Herde hat definitiv Auswirkungen auf die Psyche und diese Tatsache darf nicht unterschätzt werden! Aber was wir dem Pferd eingebrockt haben, müssen wir auch auslöffeln! Ein Pferd MUSS sich bewegen, alleine schon, um die Körperfunktionen zu erhalten. Hier sprechen wir noch gar nicht von Fitness, sondern von Grundfunktionen! Die Versorgung der Körperzellen kann nur funktionieren, wenn der Körper in Bewegung bleibt. Andernfalls kommt es zu einer Nährstoffunterversorgung und damit schließlich zu degenerativen Krankheiten wie Arthrosen o.ä., zusätzlich werden Giftstoffe eingelagert und Abfallprodukte können nicht mehr regelmäßig abtransportiert werden, so dass sich der Körper quasi von alleine vergiftet. Übrigens: Offenstallhaltung alleine reicht zur Bewegung nicht aus!

🐴✅ Kontrolle:

Das Ausmaß der nötigen Bewegung muss individuell an das Pferd angepasst werden und macht nur dann wirklich Sinn, wenn es engmaschig kontrolliert und bestenfalls dokumentiert wird. Und auch hier gilt wieder: genau hinschauen, messen, wiegen! Zahlen schaffen Fakten. Dabei kann die Erstellung eines Trainingsplans wertvolle Unterstützung bieten.

Unsere Pferde können nicht entscheiden, wo und wie sie untergebracht werden. Das liegt in unserer Verantwortung. Und wenn wir schon über das Wohl unserer Pferde entscheiden wollen, dann bitte mit ausreichend Sachverstand! Das sind wir unseren Pferden schuldig! ❤

Möchtest du dich intensiver mit diesem Thema befassen? Dann schau doch mal hier!

Loading

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert